Kringerde

Kontinente und Länder

Die Zeit der Gilwen liegt lange zurück. Damals, so heißt es, stand selbst der Mond noch näher bei der Erde, die ihrerseits noch ihren ursprünglichen Namen trug: Kungderun, das ist Kringerde, die Gekrümmte.

Alle Lande hatten noch eine andere Gestalt, alle Meere andere Gestade, alle Flüsse einen anderen Verlauf.

Das Wissen um die damalige Beschaffenheit Kringerdes ist lückenhaft. Als gesichert kann nur gelten, was in den alten Schriften überliefert steht. Danach gab es diese Erdteile:

• Lûnen Kolrynas
• Lûnen Nûrubor
• Lûnen Anglinême (als mystischer Wald „Angellin“ ein Teil der verklärten Märchenwelt der Vahatin)
• sowie vielleicht zwei weitere Erdteile, deren Namen bisher ungenannt blieben, auf die aber indirekt geschlossen werden kann (der eine ist die Urheimstatt der Gidwargim, das Land Sumeru mit der Grube Merunia; das andere ist das vermutete Herkunftsland der Nodirin).

Karte von Kolryn

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Karte von Uvaithlian

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Ähnlichkeiten und Unterschiede

Unsere reale Erde und Kringerde (in der Fabel) gleichen sich in vielen, ja in fast allen Dingen. Beide Welten haben z.B. einen Mond, der den uns bekannten Gesetzmäßigkeiten folgt und Gezeiten verursacht. Die Fauna und Flora sind nahezu identisch.

In der Fabel ist Kringerde mit unserer Welt identisch. Die als „heute“ bezeichnete Gegenwart ist die fiktive Gegenwart Kringerdes; die mit „uns“ bezeichnete Kultur ist die fiktive Kultur der Menschen Kringerdes.

Die andere Form der Länder und Meere ist in erster Linie dramaturgisch begründet, nicht geologisch. Die Zeitspanne der Gilwenzeit beginnt mit dem Jahr -21627 v. Chr. (also vor 23.640 Jahren, gerechnet vom Jahr 2013 n. Chr.).

Einige der Rätsel unserer realen Erde finden in den Ereignissen auf Kringerde eine Wiederspiegelung oder einen denkbaren Hintergrund.

Beispiel 1: Der homo neanderthalensis

Es ist augenfällig, dass sich das Äußere eines Gidwargums mit den körperlichen Merkmalen eines Neandertalers durchaus vergleichen lässt. Beide haben einen gedrungenen Körperbau, kräftige Arme, die zum Schmieden oder Hammerkämpfen wie geschaffen sind. Rötliche Haare, überhaupt eine starke Gesichts- und Körperbehaarung. Der Oberkörper unterscheidet sich besonders vom heutigen Menschen, so ist z.B. die Rippenlage eine völlig andere. Auch der Zeitraum (etwa 50.000 bis 25.000 Jahre vor unserer Zeit), in dem der Neandertaler nach den heutigen Erkenntnissen lebte, ehe er vom Homo sapiens verdrängt wurde, deckt sich mit den Angaben in den Schriften der Gilwenzeit und passt zum erzählten Spielzeitraum von vor ungefähr 23.640 Jahren.

Der Neandertaler, ein Wesen mit Kultur und Technik? Dem widerspricht die bisher gültige Auffassung der Wissenschaft, wonach wir uns den Neandertaler als primitiven Jäger und Sammler zu denken haben.

Aber unsere Kenntnisse jenes alten Volkes sind in Wahrheit äußerst begrenzt. Dachte man noch vor wenigen Jahren, er habe rund ums Mittelmeer und in Afrika gelebt, so weisen neuere Funde nach, dass der Neandertaler bis Sibirien (oder womöglich viel weiter) kam. Jüngste Funde aus der Steinzeit belegen, die Technik der betreffenden Zeiten und Regionen (z.B. Brunnenbautechnik und Holzverarbeitung mit Zapfen, Nut und Feder) war vielleicht doch nicht so primitiv wie gedacht, sondern weiter entwickelt als angenommen, weiter jedenfalls, als wir uns dies bisher auch nur vorstellen konnten. Immer ältere Siedlungen werden gefunden, deren Fortschritt in Architektur und Zahlenkunde viel weiter gediehen ist, als es die Wissenschaft bislang für möglich hielt. Es kann also durchaus möglich sein, auch der Neandertaler war fortschrittlicher, als wir es in gefälliger Selbstüberschätzung meinen.

Ich behaupte nicht, dass die Gidwargim mit dem Homo neanderthalensis identisch waren. Aber ein nachdenkliches Aber bleibt. Vielleicht ist das, was wir aufgrund der Hinterlassenschaften als Anfang einer Kultur gedeutet haben, in Wahrheit das kümmerliche Überbleibsel ihres Endes. Der Neandertaler jedenfalls ist verschwunden, ein bisher ungelöstes Rätsel, wie auch das Volk der Dwarge oder Gidwargim verschwunden ist. Ein ähnliches Äußeres, ein ähnliches Schicksal? Vielleicht verband sie mehr, als wir ahnen.

Beispiel 2: Die Masma

Auf einem Plateau in den Anden von Peru gibt es die geheimnisvolle, aber gleichwohl reale Stätte von Markawasi oder Marcahuasi. Ein Ort, an dem sich viele Steinbilder betrachten lassen, die allesamt den Eindruck vermitteln, als habe man, um sie zu erstellen, den Stein zuvor verflüssigt. Und noch verblüffender: den Einheimischen nach waren die Errichter der Steinskulpturen ein geheimnisvolles Volk namens Masma, von dem es heißt, sie seien einst weltweit(!) in Erscheinung getreten, als Lehrer(!) der geringeren Menschen. Eigenartig ...

Spielt dies auf die Jahre der Unterweisung an? In der Fabel von Kringerde jedenfalls bezeichnen die Féar in ihrer Sprache, dem Éanpelwe, die Gidwargim ihrerseits als Masmar.

Mit der Bezeichnung Masmar beziehen sich die Féar auf die auffallendste Eigenheit der Gidwargim: nämlich auf den Umstand, dass die Gidwargim unter der Erde leben, gleichsam im Verborgenen. So lautet éan. masumwe „sich verstecken, verbergen; seine Herkunft verschleiern“; damit lässt sich Mas(u)mar in etwa mit „die im Verborgenen Lebenden“ übersetzen. Die Silbe ma hat immer eine herkunftsher oder -ableitende Bedeutung, eine Eigenschaft, die auch vielen Worten in Caeredwaine, der in Kolryn vorherrschenden Sprache, erhalten geblieben ist. 

Doch darf nicht vergessen werden, dass die Ar-Silbe sich von arwe, „fließen“, ableitet. Ein verwandtes Wort zu arwe ist marwe, „schmelzen, verflüssigen“.

Die dwg. Silbe "Gi" in Gidwargim (und auch Gidrog) bedeutet „unten, Erde“. Inwieweit (d)uargahuasi und das fast gleichlautende marcahuasi zueinander stehen, bleibt offen, doch ein Zusammenhang ist fast mühelos herzustellen.

Allein die Anzahl der Indizien – flüssiger Stein, Lehrer der geringeren Menschen, weltweite Erscheinung, Masmar beziehungsweise Masma, die fast identische Begriffsähnlichkeit von (d)uargahuasi und marcahuasi bzw. (Gi-)dwargum – sprechen dafür. 

Und die erste Silbe von Masmar, mas, könnte auch einen eher gegenständlichen Bezug haben. Masca bedeutet im Éanpelwe Felsen, masa bedeutet Berg; es ist nicht ganz auszuschließen, dass Masmar dem Sinn nach als Nebenbedeutung „die, die Felsen (oder Berge) zum Fließen bringen“ enthält – eine Eigenschaft, die dann auf die Gilwe der Erde zurückginge oder zumindest auf sie verwiese; ohne Frage das Werkzeug, mit dessen Hilfe die (Gi-)dwargim es verstanden, Gestein zu verflüssigen.