Atlas

Vorwort

Es heißt, es gäbe nur zwei Arten von Geschichten. Erstens: Jemand unternimmt eine weite und gefährliche Reise. Zweitens: Ein Fremder kommt in die Stadt …

Für Fantasy-Epen wie die GILWENZEIT tritt noch – als besonderer Anreiz – ein Effekt hinzu, der das Lesen begleitet und es in gewisser Weise sogar spannender macht.

Denn die Gegenden, in die hinein gereist wird (oder aus denen der Fremde kommt), sind bis zu dem Zeitpunkt des ersten Begegnens jedem anderen als dem Autor völlig unbekannt. Sie sind reine Fantasie-Geburten, wollen aber ebenso ernst genommen werden wie wirkliche Landschaften mit ihren Siedlungen darin. Damit die Vorstellungen „funktionieren“, müssen sie den Anschein von Wirklichkeit erwecken, und ein probates Mittel hierfür scheint das Beifügen einer fiktiven Landkarte zu sein.

Und mehr noch. Viele Leser wünschen sich aussagefähigere Karten, um den Weg der Reisenden noch besser mitverfolgen zu können. Aussagefähiger meint hier: mehr Einzelheiten enthüllende Ansichten als jene bloßen Übersichtskarten, die den Büchern beigegeben werden.

Diesem Wunsch komme ich gerne entgegen.

Daher werden in diesem Atlas die Reisewege bis einschließlich Band 3 beschrieben und bebildert. Damit ist die GILWENZEIT-Reihe noch nicht beendet, weitere Bände sind in Vorbereitung, und die dortigen Reisewege werden in einem zweiten, später erscheinenden Kartensatz gezeigt.

Der erste Kartensatz wird nach und nach zur Verfügung gestellt werden. Es bietet sich also an regelmäßig vorbeizuschauen.

Legende

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Karte 1 – Moorreet

Karte 1 – Moorreet
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Die Mürmelstraße, aus Mechellinde kommend, endete in Moorreet. „Entweder man bleibt hier, oder man kehrt um“, ging deshalb eine bezeichnende Redeweise im Dorf oder Brada (was „Schlamm“ bedeutet).

Die Karte zeigt die „sieben Brochs und fünf Rundhäuser“ des Bradas, wobei die Angabe leicht irreführend ist. Die drei ineinander übergehenden Brochs der Werkstatt Fokklinhand zählten für Finn Fokklin offenbar dennoch als drei einzelne Brochs, während er bei den fünf runden Lehmhäusern das Rundhaus seiner Familie seltsamerweise nicht mitrechnete; alle anderen eingezeichneten Gebäude waren Stallungen oder Scheunen. Abbado Zeisig, Furgos ältester Geselle, bewohnte ein Rundhaus zwischen dem Gänseweiher und dem großen Teich.

Uralte Mooreichen umgaben den Mürmelbruchsee: einen großen Teich, der das Schmelzwasser etlicher Bächlein aus den Torfwiesen und dem dahinter liegenden Hochmoor auffing. Die Bäume „lugten ostwärts über die Dammkrone, als behielten sie die Felder wachsam im Auge“. Entwässerungsgräben „unterliefen in hölzernen Rinnen die Straße“. Diese Straße muss der Bruchdamm gewesen sein.

Finn verließ die Werkstatt Fokklinhand am Morgen des 2. Oktober mit dem Fuhrwagen. Auf dem Bruchdamm begegnete er Konkho Zeisig, der ihm von den verschwunden Kindern von Rudenforst erzählte.

Finns Heimatdorf lag auf einer etwa kreisförmigen Erhebung: einer Art Insel in den Torfwiesen, hinter denen in westlicher Richtung gesehen das Hochmoor begann. In der Umgebung stachen die Moorreeter seit altersher ihren Torf, und es wurde Ried und dünnes Astwerk zum Flechten gesammelt sowie zum Decken der Dächer. Ein Gutteil ihrer „Ernte“ ging wohl auch nach Mechellinde; nicht zufällig lag die Straße der Korbmacher am östlichen Ende von Mechellinde, Moorreet zugewandt.

Nicht mehr auf der Karte zu sehen ist das verfallene Moorreet, die Ursiedlung aus den Anfangstagen des Hüggellandes. Es lag etwas weiter westlich. Finn kam, als er mit Buffo und Wigo Rohrammer aus den Froschsümpfen zurückkehrte, an den „alten Brombeerhecken“ vorbei, die es vor vielen Jahren begrenzten.

Zu sehen ist auch der Weg, den Finn bei dieser Gelegenheit als Abkürzung wählte (s. Karte 12): einen schmalen Feldweg, der in einer Lücke zwischen den Gatterzäunen zweier Grundstücke endete. „Links lag das Zeisiggehöft mit Konkhos Gaststubenanbau des Verlorenen Henkels“. Rechts davon wohnten die Schilfrohrs, eine zahlreiche Familie. Über deren Dach hinweg vermochte Finn von seinem Dachfenster im Rundhaus aus die Berge zu sehen und „fragte sich, was dahinter kam“. – Es ist anzunehmen, dass mit der Gründung der Tintnerey das Brada allmählich eine Verbesserung der Lebensumstände erfuhr. Allein sieben (!) Gesellen beschäftigte Finns Vater, und alle hatten ihren Wohnsitz in Moorreet. Furgo war damit der bedeutendste Arbeitgeber in der ganzen Umgebung.

Das letzte Haus an der eigentlichen Mürmelstraße nach Westen hin war der Broch der Rohrammers mit seinem Hausanbau. Die Rohrammers – entfernt verwandt mit den Goldammers aus Mechellinde und Vahindema – betrieben einer Froschnerey in den Sumpftümpeln westlich des Dorfes. Sie galten allgemein als verschroben, und offenbar wusste niemand, womit sie sich ihren (in mehrfacher Hinsicht anrüchigen) Lebensunterhalt verdienten: mit der Herstellung verschiedenster Arzneien, die sämtlich aus Fröschen gewonnen wurden. Aber sie erhielten viel Post, fast soviel wie die Fokklins, und es werden meistenteils vermutlich Bestellungen gewesen sein.

Karte 2 – Die Marsche

Karte 2 – Die Marsche
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Zwischen Moorreet im Westen und Mechellinde im Osten erstreckten sich die Marsche – ein unbesiedeltes Gebiet, in dem nur die Hammerschmiede von Abhro Rabner eine Ausnahme bildete.

Der Schmiedewald lag auf einer ähnlichen Erhebung wie Moorreet (und wie weiter östlich an der Mürmelstraße auch Mechellinde).

Die Mürmelstraße folgte zwar im wesentlichen dem Lauf der Mürmel, aber sie selbst verlief allem Anschein nach auf einem sich von West nach Ost ziehendem Rücken, der sich zwischen den beiden Flüssen Mürmel und der wesentlich breiteren (und kälteren) Räuschel erstreckte und der die beiden Flusstäler trennte. Moorreet, der Schmiedewald und Mechellinde waren die höchsten Erhebungen dieses namenlosen Rückens. Die Straße selbst verlief ganz augenscheinlich höher als die Mürmel: sie „umging einige zum Fluss abfallende und teilweise sumpfige Wiesen“.

Teilweise trat die Straße nahe an die Mürmel heran. Finn und Konkho konnten „die Biegungen des Flusses in der Sonne glitzern“ sehen. Von der Räuschel hingegen sahen sie nichts. Anscheinend verwehrten die Kuppen höherer Hügel nach Süden hin einen entsprechenden Blick. Der Schmiedewald durchmaß nur „etwa zwei Meilen“ und bedeckte einen „größeren Hügel, dessen flache Kuppe wie eine Insel aus den Marschwiesen hervorschaute“. Im Wald gab es gerodete Lichtungen, wahrscheinlich von den Schmieden selbst gerodet, um ihrem Bedarf an Holzkohle nachzukommen.

Finns späteren Beobachtungen zu Folge betrieben die Schmiede offenbar zugleich auch das Köhlerhandwerk, obwohl er selbst keine Meiler erblickte. Aber „der Boden wurde schwarz“, es roch nach „Ruß und Holzfeuer [und] nach Kohlenasche“. Auch die Luft verriet die Nähe der Schmiede, sie schmeckte selbst auf der Straße noch „nach verbrannter Kohle, nach Asche und Metall“.

Konkho Zeisig trennte sich an einem im Walde abzweigenden Stichweg von Finn. Er ging zu Fuß weiter bis zur Hammerschmiede. Deren Hammer wurde wasserbetrieben, deshalb lag die Schmiede dicht am Ufer. Das Wasserrad drehte sich an einem eigenen Werder. Der Klang des Hammers war bis zur Straße hin zu hören.

Von Moorreet bis Mechellinde betrug die Entfernung 10 Meilen. Nachdem Finn sich von Konkho verabschiedet hatte, lagen davon noch vier Meilen Wegs vor ihm, eine davon führte ihn noch durch den Wald, die restlichen drei über offenes Gelände. Die Neigung der Mürmelstraße war ab hier „nur sanft, es ging geradenwegs bergab“.

Finn kam um die Mittagszeit im Hauptort des Obergaus an. Für den gesamten Weg bis Mechellinde benötigte Smod eine Stunde. Finns Pony wird diese Schnelligkeit nur durchgehalten haben, weil der Weg geradenwegs bergab lief und es ausgeruht war und voller Tatendrang. Der Rückweg verlief somit bergan und musste daher länger dauern. Finn rechnete dies für die Strecke MechellindeMoorreetMechellinde mit ein, als er vor dem Rat zu Circendil sagte: „Auf Smods Rücken bin ich in drei Stunden hin und zurück.“ Er meinte damit sehr wahrscheinlich zwei Stunden (bergan) hin und und eine Stunde (bergab) zurück.

Karte 3 – Mechellinde

Karte 3 – Mechellinde
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Bei dieser Karte habe ich auf den Reiseweg verzichtet, der Übersichtlichkeit halber und weil er ohnehin leicht nachvollziehbar ist: Finn kam die Mürmelstraße von Moorreet herab, passierte die Dorfhecke im Westen und verließ Mechellinde wieder beim gegenüberliegenden Heckentor im Osten, um nach Rudenforst weiterzufahren. In Mechellinde hielt er vor dem Landhüterhaus an, um dort, gemäß des schriftlich übermittelten Wunsches von Banavred Borker, von den eigenartigen Vorkommnissen beim Acaerras Alamdil eine Meldung zu machen.

Finn traf dabei erstmals mit Bholobhorg Feldschwirl zusammen, dem Pflaumenkuchen schmausenden Landhüter. Bhobho, wie er von seinen Kameraden gerufen wurde, fasste die Angelegenheit als unliebsame Störung auf, auch nahm er Finns Hinweis auf die verschwundenen Kinder von Rudenforst nicht ernst.

Er stammte aus Tanning im Untergau, war neu im Obergau, und seine Redeweise war tiefstes Tanningsch. Wie Mellow später am Abend in der Krummen Kiefer berichtete, war Bhobho erst vor wenigen Tagen angekommen (im Rahmen des Austauschprogramms des Bürgermeisters) und kannte weder Land noch Leute. Vermutlich deshalb hatte ihn der Gauvogt Gesslo Regenpfeifer als Stallwache zurückgelassen, während die anderen ausgerückt waren, als Verstärkung in den Tiefengau, „um die Zäune abzugehen“ (und zu reparieren, falls nötig). Der Gauvogt selbst war nach Vahindema geritten „zum Bericht bei Herrn Wredian“. Wredian Gimpel war der Vahogathmáhir, der Bürgermeister des Hüggellandes. 

Die Karte zeigt die schmalen Gärten, die Mechellinde „umgaben wie einen Gürtel“. Das Khênbrada lag auf einer Erhebung, die eine „Art Insel“ war. Finn erwähnt einen aufgeschütteten Damm am Westtor, und ich nehme an, es gab eine Entsprechung am Osttor. Offenbar teilte und durchschnitt die Mürmel diese Erhebung, weshalb ich ihre Ufer im Dorfinneren mit hohen Böschungen versehen habe.

Der besondere Garten der Bücherey lag am Westrand des Khênbradas und war nur durch eine Unterführung unter dem Máhirhaus zu erreichen. Hier begann Finn sein Tagebuch und wurde von Tallia zum Rat abgeholt.

Die eigentliche Büchersammlung befand sich in dem östlichen Haus des Buogga-Anwesens, jenes, das dem Markt zugewandt war. Aus den Fenstern im ersten Stockwerk konnte man den gesamten Platz überblicken.

Mechellinde war „nach und nach um die Bücherey“ herum entstanden. Die beiden ältesten Gebäude, die Bücherey (von einer eigenen Mauer umgeben) und das daneben liegende Gasthaus zum Rauschenden Adler begrenzten die Westseite des Marktplatzes. An „seiner Ostseite drängten sich dicht an dicht“ mehrere Geschäfte: ich habe sie zum leichteren Auffinden nummeriert. Das aus Fachwerk bestehende Landhüterhaus lag „unweit der niedrigen hölzernen Mürmelbrücke“ und war „von flatternden Fahnen umgeben“: der des Vahogathmáhirs und der roten Fahne der Landhüter. Das Postlerhaus war das letzte Gebäude (von unten nach oben gezählt) an der Ostseite des Marktes. Als Besonderheit ist die Sonnenuhr über dem Marktbrunnen zu erwähnen. 

Bolaths Lohgerberey (von der Furgo sein Leder bezog) lag „noch hinter einer Schafswiese“, wegen ihres Geruchs „zum Segen für die Nachbarn“. Als die Fischräucherey in der Nacht des 5. Oktobers brannte, hielten die Vahits und der Mönch abseits eines Weges, der „kaum mehr als ein Pfad“ war. Ich nehme an, dieser Weg führte über die Wiese zur Gerberey. Im Dunkeln erschien er wohl schmaler als er war: Bolath wird seine schweren Leder und Bottiche bestimmt mit dem Wagen transportiert haben.

Karte 4 – Lammspringer See

Karte 4 – Lammspringer See
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Diese Karte macht einen kleinen Sprung von Mechellinde bis an den Lammspringer See. Dem übersprungenen Kartenausschnitt widmen wir uns später, wenn wir zur „Schlacht am Mürmelkopf“ kommen.

Ein oder zwei Meilen hinter Mechellinde holte Finn auf seinem Fuhrwagen den zu Fuß gehenden Postler Kuaslom Pfuhlig ein, dessen Pony lahmte und das deshalb im Postlerstall hatte bleiben müssen. Der schon ältere Kuaslom war darüber alles andere als glücklich, und Finns Einladung, auf seinen Wagen zu steigen, kam ihm sehr gelegen.

Von Kuaslom erfuhr Finn ein wenig mehr von dem mysteriösen Verschwinden der beiden Rudenforster Kinder. Der Postbote war äußerst beunruhigt, und nicht nur darüber: er meinte, „der Wald sei anders als früher“, als wären „Augen darin, die einen beobachten“. Finn dachte mit Sorge dabei an Banavreds Brief und die darin erwähnten Krallenspuren.

Eine Wegstunde hinter Mechellinde (rund 8 Meilen, es ging immer noch leicht abwärts) traf die Mürmelstraße auf die Mittelstraße: eine Meile südlich der Seebrücke. Die Seebrücke war eine der drei vor 1500 Jahren von den nicht minder rätselhaften Benutcaerdirin errichteten Brücken, und ihre drei Rundbögen schimmerten weiß, denn sie bestanden aus Caeraban, dem wie gegossen wirkenden Turmstein. Die Brücke war für Vahitverhältnisse sehr breit: mehrere Fuhrwerke hätten nebeneinander darauf Platz gefunden. – Am Kreuzungspunkt stand ein Wegweiser.

Hernach umrundeten sie das Nordufer des Sees. Finn erwähnt nicht, dass sie für gut fünf Meilen – knapp eine Stunde – einen Wald durchfuhren, aber der schweigsame Wald lag (wie es auch die Karte im Buch zeigt) an der Strecke und muss in den beiden Vahits den Eindruck einer namenloses Besorgnis weiter verstärkt haben. Vielleicht fühlten sie sich „beobachtet“, und ihre Nervosität beruhte (nur?) auf Einbildung. Vielleicht aber hatte Kuaslom Recht, und etwas ging tatsächlich im Walde um … und wir wissen heute, dass es sich dabei sehr wohl um kundschaftende Gidrogs gehandelt haben kann.

Jedenfalls kamen die beiden Vahits, als sie Lammspring erreichten, mit flatternden Nerven dort an, und ich halte den unheimlichen Eindruck des zuvor durchquerten Waldes mit dafür verantwortlich.

Es war überdies noch einmal ein heißer Tag geworden, auf dem Dorf „lastete eine drückende Hitze“.

Weit in der Ferne erkannte Finn zu seiner Rechten als „graublaue Schatten“ den westlichsten der Klippwälder, die den Sturz besäumten.

Zu sehen sind auf der Karte auch die Pfuhle, jene Senke des früheren Flussverlaufs, eine „Handvoll Tümpel, die zurückgeblieben waren, als der Fluss seinen Lauf geändert hatte“. Kuasom verdankte ihnen seinen Nachnamen Pfuhlig; er bewohnte einen nahen Broch.

Jenseits von Lammspring mit seinen Schafherden (das noch kleiner war als Moorreet) sichtete Finn in der Heide einen mächtigen Vogel, der ihm zu denken gab. Wegen seiner immensen Größe, und weil das Tier schneller nach Norden flog, als „selbst ein Adler es vermochte“. Er bedauerte, den eingenickten Kuaslom nicht geweckt zu haben.

Am frühen Abend langten sie in Rudenforst an. Sie begegneten dort Mellow Rohrsang, der an der Schwelle des elterlichen Gasthauses zur Krummen Kiefer stand und sie einlud, für die Nacht zu bleiben.

Mellow war ein gewitzter und gewissenhafter Landhüter fast genau in Finns Alter. Er befand sich seit Tagen in seinem Heimatdorf, um das Verschwinden der beiden unauffindichen Kinder zu untersuchen.

Karte 5 – Rudenforst

Karte 5 – Rudenforst
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Das Gasthaus zur Krummen Kiefer war das letzte Haus des Bradas an der Mittelstraße. Der Wirt Rorig Rohrsang hielt zugleich die Postlerrechte. 

Rudenforst (der Name leitet sich ab von Rud, „Norden“) war aus einer Waldarbeitersiedlung erwachsen. Sie entstand etwa gleichzeitig mit Mechellinde in der ersten Besiedlungszeit Uvaithlians. Früher herrschte mehr Verkehr auf der Mittelstraße (als Holz in Massen gebraucht wurde, um die Bücherey und überhaupt Mechellinde zu errichten). Inzwischen lag das Dorf relativ abgelegen vom restlichen Geschehen des Hüggellandes. Allzuviel Reiseverkehr wird es nicht mehr gegeben haben, und so verwundert es nicht, dass der Wirt einen Doppelverdienst anstrebte und auch als Postler tätig war. Er übernahm die Verteilung der Brief im Dorf und setzte seine Söhne als Eilboten ein. Auf seinem Hof betrieb er den Postlerstall, in dem auch Smod, Finns Pony, für die Nacht unterkam.

Bis zum Acaeras Alamdil, dem Alten Turm, waren es von Rudenforst aus noch elf Meilen, die quer durch den Wald von Rudenforst führten. Meiner Ansicht nach bezog sich die Angabe auf die reine Luftlinie – die Straße führte in Serpentinen hüben den Rudberg hinauf und drüben wieder hinunter, machte Umwege und umging steil abfallende Senken. Die zurückzulegende Strecke muss also bedeutend länger gewesen sein, ich schätze an die 15 Meilen. Finn tat also gut daran, in der Krummen Kiefer zu bleiben, er wäre wirklich erst „in stockfinsterer Nacht“ angekommen, wie Mellow richtig meinte. Da an diesem Tag der 2. Oktober war, (der 25. September nach unserem Kalender), trat der Sonnenuntergang gegen 18:12 Uhr ein. Zwei Stunden später war es finster, und Finn hätte langsam und vorsichtig fahren müssen. Für die 15 Meilen hätte er wenigstens drei, wenn nicht vier Stunden benötigt. Smod war von der langen Fahrt sicher erschöpft. Außerdem herrschte Neumond, wie die Wirtin erwähnte.

Einen Steinwurf weit hinter dem Wirtshaus schwenkte die Straße nach links, querte den Rudbach auf einer Holzbrücke und „kletterte in mehreren Kehren einen ziemlich steilen Hang hinauf“, zu einer nur schwach geneigten Lehne, wo sie den Bach wieder trafen.

Im Vergessenen Turm heißt es im 5. Kapitel: „Der Rudenforst begann kaum eine Meile weiter voraus“. Hier liegt meiner Ansicht nach entweder ein Übertragungsfehler vor, oder Finn hatte sich schlicht vertan. Ich nehme an, er meinte eine Zehntelmeile. Diese Angabe passt wesentlich besser ins übrige Bild und erscheint mir auch wahrscheinlicher. Als Finn, Mellow und der inzwischen zu ihnen gestoßene Circendil zwei Nächte später über den Köhlerpfad wieder den Wald verließen, stießen sie auf die Honigwiese, die sich „wie eine große Zunge in den südlichen Waldrand erstreckte“. Von dieser Stelle an werden keine längeren Distanzen mehr erwähnt, so dass ich annehme, die Wiese mit ihren Bienenkörben (und mit ihr der Waldrand) lag nicht mehr allzuweit vom Dorf entfernt. Ich schätze, nicht mehr als 150, höchstens 200 Klafter. Wenn ich von der Zehntelmeile ausgehe, so fügen sich beide Angaben passgenau zusammen.

Warum aber zog sich die Mittelstraße quer durch den Wald und damit über den Rudberg anstatt um ihn herum? Die Antwort lautet schlicht: beiderseits lag unwegsames Gelände. „Das Land östlich des Rudenforstes ist voller tiefer Risse und tückischer Schründe“, erklärte der in (und im) Rudenforst aufgewachsene Mellow. Westlich des Waldes aber entsprang und verlief der Wirrelbach in einer steinigen und zerklüfteten Gegend. „Ihr habt die Klippen gesehen“, sagte Circendil kurz nach ihrer ersten Begegnung. „Die Berghänge dahinter sind völlig unzugänglich.“ Die Benutcaerdirin, die einstigen Erbauer des Turms, der Brücken und der Straße, hatten nur die Wahl, die Straße durch den Wald zu schlagen.

Karte 6 – Wirrelbachtal

Karte 6 – Wirrelbachtal
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Nördlich des Rudenforstes verlor das Hüggelland seinen lieblichen Charakter. Zunehmend zerklüftetere Vorberge gingen jenseits des Wirrelbachs in die schneegekrönten Berge des Halbmondgebirges über.

Der Wirrelbach war kein Bach, sondern ein reißender Fluss. Die Vahits mochten es entweder, Dinge zu untertreiben, oder Bach hatte bei ihnen eine weitere, uns abhanden gekommene Bedeutung. Möglicherweise liegt auch eine Fehlleistung bei einer der vielen Abschriften der Cethlion-Handschrift vor. Noch ein zweiter Fluss trug nämlich die irreführende Bezeichnung Bach, und zwar der Sturzbach im Untergau. Beide hatten in eigenartiger Weise gemeinsam, dass sie die beiden äußeren Flüsse des Hüggellandes waren, der eine im Norden, der andere im Süden; und beide waren höchst quirlige Gewässer. Es ist denkbar, dass Finn ein Wort verwendete, das begrenzend oder abweisend bedeutete und das so ähnlich geschrieben wurde wie cdw. Bual, „das Plätschernde, der Bach“. In Frage käme hier cdw. bhugal, was „mit Speeren/Spitzen versehen, abweisend“ bedeutet, ein Wort, das auch als Begriff für „Stromschnelle“ verwendet wurde. Bei den Abschriften wurde dann daraus fälschlich ein Bach. Die wahren Namen der Flüsse hätten dann, wären sie korrekt übersetzt worden, Wirrelschnell und Sturzschnell lauten müssen.

Die Mittelstraße, von Süden kommend, umrundete zunächst eine tiefe Schlucht, ehe sie eine Art Damm bildete, vom dem aus man zur Linken ein Geröllfeld sehen konnte, das „wie ein Wasserfall aus Felsbrocken“ wirkte. Danach machte die Straße einen Kurve nach rechts, und von dieser Stelle aus waren es noch „zwei oder drei Meilen“ in direkter Linie bis zum Wirrelbachufer. Wenig später sahen Finn und Mellow die Rauschsäule des im Burghof brennenden Feuers aufsteigen, mit dem die Gidrogs den Kadaver ihres getöteten Criargs verbrannten. Dann erblickten sie, als sie ein Waldstück umrundeten, die Turm in seiner vollen Pracht und Größe.

Die gepunktete rote Linie zeigt den Verlauf des geheimen Stollens an, durch den Finn, Mellow und das Mädchen Gatabaid in der Nacht zum 4. Oktober flohen. Den Rest der Nacht brachten sie in einer Höhle zu, in der sie am Morgen auf das Hindernis der Unsichtbaren Brücke stießen.

Als sie die Höhle (nach einigem vergeblichen Suchen) endlich verlassen konnten, hörte der Davenamönch Circendil schon von weitem ihre Stimmen, ehe er sie im Wald stellte und ihnen seine Hilfe anbot. Den Rest des Tages warteten sie ab, da die Brücke am Ringwall von Wachen besetzt war. Mit dem Einbruch der Dämmerung kamen siebzehn weitere Criargreiter in Uvaithlian an und landeten im Burghof der alten Festung.

Auf der Karte 7 sind die Schritte der Fliehenden in der Festung und am Ringwall in der Vergrößerung wiedergegeben.

Noch auf dem Ringwall wurden sie von Circendil getrennt, der von einem Criargreiter ergriffen und fast zwei Meilen weit durch die Luft verschleppt wurde, ehe es ihm gelang, den Gidrog in einem Zweikampf zu besiegen. Den Verlauf des Fluges zeigt die gepunktete gelbe Linie. Der Mönch kehrte nicht zurück, sondern eilte vom Ort des Zweikampfes den Vahits voraus, um ihnen den Weg zu sichern. Es gab zwei Wachtposten der Gidrogs, die er unschädlich machte.

Wieder zurück im Rudenforst, entdeckte Circendil den Köhlerpfad, eine wirkliche Abkürzung, die am Glatzenberg vorbei zur Honigwiese hinabführte und die Straße mit ihren vielen Serpentinen umging. Er legte seinen „Pfeil“ aus (gebildet aus drei Äpfeln) und wartete am Glatzenberg auf die Nachkommenden. Die hatten nicht nur kürzere Beine als er, weshalb sie ohnehin langsamer waren als der Mensch. Sondern Mellow hatte auch dessen Schwert zu schleppen, das Circendil beim Zugriff des Criargs verloren hatte, und Finn musste sich um das völlig erschöpfte und obendrein verwundete achtjährige Mädchen Gatabaid kümmern, was bedeutete, dass er sie über weite Strecken „über Stock und Stein“ in seinen Armen trug. Karte 5 zeigt den Köhlerpfad und die Honigwiese.

Karte 7 – Acaeras Alamdil

Karte 7 – Acaeras
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Die Festung des Acaeras Alamdil umlief eine „hohe Mauer, deren blendende Krone die Insel von allen Seiten umschloss“. Finn lenkte Smod am Graben entlang (eine schmalere, von der Mittelstraße abzweigende Straße, nehme ich an).

Die Steinbrücke „schwang sich links über den Graben, der überraschend tief war“. Die beiden Tore waren jene, die Finn von der Brücke aus sehen konnte: das der Festung unmittelbar vor ihm und das südliche Tor des Ringwalls hinter ihm.

Beide blickten zu dem gewölbten Ringwall, „den Damm“, hinauf: „… ein Wehrgang, fast eine Viertelmeile lang, schwang sich in einem gleichmäßigen Bogen vom Wirrelbach in die Flusswiesen hinaus“ und „wieder zum Ufer zurück“. Der hohe Wall war ebenfalls aus Turmstein errichtet worden. Ein doppeltes Bollwerk, mit Rampen versehen und in den Ringall eingelassene Treppenaufgänge, die aus der Ferne „wie ein Spinnennetz wirkten“. Vermutlich wurden mit Hilfe der Rampen Wurfmaschinen in Stellung gebracht, oder Reiter ritten mit eiligen Botschaften hinauf und hinunter. Der Ringwall war zwanzig Klafter breit. Die Verteidiger blickten nach Norden, dem Alten Weg entgegen.

Das Tor der Burg war leer, aber die Brücke lag noch über dem Graben, Finn und Mellow konnten noch dunkle Stellen sehen, wo einst die Ketten die Platte bewegt hatten. Im Innern der Vorburg kamen sie an dem zerstörten Brunnen vorbei: ein großes Loch im Boden. Außerdem sahen sie Reste von nicht aus Caeraban bestehenden Grundmauern, sowie Anselmas Garten, ein eingezäuntes Fleckchen Erde wegen der Ziegen, „mit denen sie ihre liebe Not hatte“. Sie und ihr Mann Banavred waren die einzigen Vahits, die den Alten Turm bewohnten.

Die innere Burg bestand aus dem Turmhof, in dem die Glutstelle noch  schwelte. Die Gidrogs hatten darin den Vogelkadaver verbrannt. Eine kleine kreisförmige Anhöhe daneben war von einer niedrigen Mauer umgeben. Hier stand ein Thronsitz im Freien, den Steinbänke beflankten.

Überall im Gras, in den Höfen der aufgelassenen Festung verliefen ausgetretene Lehmpfade. Außerdem sahen sie: Banavrads Stall, Unterstände, den Ziehbrunnen und zwei mit Holzschindeln gedeckte Gebäude. Vor allem aber, alles andere beherrschend und überragend – der Acaeras Alamdil. Es führten „breite und unangenehm hohe“ (eben für Dirin gemachte) Steinstufen hinauf zu seiner „gewaltigen Steintür“. Das Haus, das seine linken Wand mit dem Acaeras gemein hatte, war jenes, in dem Banavred Borker mit seiner Frau Anselma lebte. Auf der Schwelle fanden Finn und Mellow Blutspuren. Als sie weitersuchten, wurden sie von Saisársar überrascht und zu Banavred ins Verlies geworfen.

Der Fluchttunnel war tief unten mit dem Ziehbrunnenschacht verbunden: ein geheimer Fluchtweg, den die Benucaerdirin einst angelegt hatten und den Mellow nur durch Schlussfolgerungen fand. Der Gang unterlief die Festungsmauer, danach den Wirrelbach, stieg am nördlichen Ufer unter Tage wieder nach oben und endete in einer sich weitenden Höhle, die durch einen sechs Klafter breiten Spalt (und die „unsichtbare Brücke“) gesichert war. Nahe des Höhlenausgangs begegneten sie Circendil. Erst nach dem Dunkelwerden wagten sie es, gemeinsam den Ringwall zu durchschleichen. Sie umliefen beide Wachtfeuer, die von den Gidrogs auf der Straße aufgeschichtet worden waren, und flohen die erste der Rampen zur Linken hinauf. Eine Treppe brachte sie auf die Mauerkrone, wo sie beinahe gestellt worden wären und Circendil sowohl sein Schwert als auch den Boden unter den Füßen verlor, als der Criargreiter kam. Die anderen drei flohen die Mauer entlang und die nächste Treppe wieder hinab. Die zweite Rampe entließ sie, und sie entkamen „über Stock und Stein“.

Karte 8 – Bücherey von Mechellinde

Karte 8 – Bücherey von Mechellinde
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Das Gelände der Bücherey war von einer eigenen Mauer umgeben, um es vor Feuer zu schützen. Das doppelflügelige Tor zum Markplatz hin zierte „ein wahrlich beeindruckendes Schnitzwerk“ – das ehrwürdige Wappen der Buoggin: „zwei in allen Einzelheiten ausgeführte, gekreuzte Federn“.

Hinter dem Tor lag ein Durchgang, der unter dem Buoggahaus mit dem Lesesaal hindurchlief. Er öffnete sich zum Innengeviert. Im Torweg gab es Türen, die in die Gebäude rechts wie links führten.

Der rechte Flügel beherbergte das Gästehaus, in dem auch die Küche untergebracht war. Viele Cuorderin und Firsterin reisten von weit her an, um ihre Studien zu betreiben, und durch sie und ihren oft wochenlangen Aufenthalt erwuchs der Buoggagilde ein gern genommener Nebenverdienst. Auch die anderen Scepmáhin, die Schöffen, übernachteten hier, wenn sie Mechellinde besuchten. Überhaupt muss der gesamte Büchereybetrieb als Wirtschaftunternehmen geführt worden sein. Furgo Fokklin bezog einen Großteil seines Verdienstes durch die Bücherey mit ihrem großen Bedarf an Schriffer-Material, was wiederum voraussetzt, dass die Bücherey über (nicht geringe) Einnahmen verfügt haben muss. 

Ich vermute, auch die Gwaendia, die Schule, wird ihre Dienste nicht kostenlos angeboten haben. Ebensolches galt für die Colpia, in der nicht nur die Bücher gepflegt und erhalten wurden, sondern auch zahllose Abschriften angefertigt wurden und in der etliche Schriffer allein damit beschäftigt waren. Dieses Gebäude nahm den gesamten linken Flügel ein.

Im Máhirhaus waren die Gwaendia, die Arbeitsräume der Lehrkräfte und die des Witamáhirs untergebracht. Vermutlich wird es auch Wohnräume gegeben haben. Hier empfing der verständige Herr Ludowig Gurler die Reisenden, und er trug offenbar einige unliebsame Erinnerungen an seine einstigen Schüler Finn Fokklin und Mellow Rohrsang mit sich herum (obwohl er insgeheim große Stücke auf sie hielt).

Auch das Máhirhaus besaß einen Durchgang, der unter dem Haus in den Schreib- und Lesegarten führte. Hier standen steinerne Sitzgelegenheiten und Tische inmitten von Blumenbeeten und Heckenbüschen, die abgeschiedene Nischen bildeten, damit ein jeder so ungestört sein konnte, wie er wollte.

Der wahre Schatz der Bücherey aber war die Büchersammlung im Buoggahaus unmittelbar am Marktplatz. Alle Gebäude waren zweistockig, und dieses war randvoll gestopft mit Büchern. Etwa ein Drittel aller  geretteten Schriften lagerte hier, dazu deren sorgsame Colpianten (Abschriften) und die Bücher, die von den Vahits selbst verfasst worden waren. Die anderen zwei Drittel der geretteten Bücher und Pergamentrollen füllten die Büchereyen von Vahindema und Sturzbach.

Die Besprechung, die im 16. Kapitel des Vergessenen Turms („Die Bedrohung des Hüggellandes“) beschrieben wird, fand im Lesezimmer im 1. Stock – etwa in der Mitte des Buoggahauses gelegen – statt. Von den Fenstern dieses Raumes aus sahen die Vahits den brennenden Broch der Fischräucherey von Kreko Fischreih über die Dächer.

Der Blickfang des Innengevierts war zweifellos die große Linde, unter der ein Springbrunnen plätscherte. Das Innengeviert war ein gepflegter Rasen, und die Gebäude der Bücherey wandten ihm ihre hölzernen Arkaden zu. Große Versammlungen wie der Rat von Mechellinde waren vermutlich eher selten, aber dann und wann wurde die Innenfläche der Bücherey dafür genutzt. Es gab eigens Tische und Bänke hierfür zum Aufstellen sowie ein Podest für die Stühle der Máhin, falls sie an der Versammlung teilnahmen.

Karte 9 – Mürmelkopf

Karte 9 – Mürmelkopf
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Diese Karte zeigt zugleich den übersprungenen Abschnitt von Finns Hinreise zum Acaeras Alamdil (s. Karte 4). Das Gelände war Wildnis, offenbar für die Vahits zum besiedeln wenig attraktiv, denn es gab zwischen Mechellinde und Lammspring kein weiteres Brada (von einzelnen, abgelegenen Gehöften abgesehen, die wir vermuten dürfen).

Als Finn, Mellow und Circendil in aller Eile aufbrachen, da sie von Gandh Blässner erfahren hatten, dass die Rudenforster Flüchtlinge in Not geraten waren, herrschte schon dunkle Nacht. Der Überfall hatte sich „nach der Brücke“ ereignet, wie ihnen Gandh berichtete. Das bezog sich auf den Reiseweg der Rudenforster: von dort kommend gab es nur eine Brücke, und das war die Seebrücke über die Mürmel (vgl. Karte 4). Der Überfall auf den Wagenzug der Rudenforster war demnach irgendwo zwischen der Seebrücke und Mechellinde erfolgt. 

Finn schätzte, sie würden jenseits von Mechellinde „nach sieben oder acht Meilen“ auf die Rudenforster stoßen. Da die drei Ponys galoppierten, was ihnen für kurze Zeit eine Reisegeschwindigkeit von mehr als 10 Meilen je Stunde verlieh (sagen wir: 14Meilen/Stunde), rechnete Finn mit einer knappen halben Stunde bis dahin.

Der Mürmelkopf war ein höherer Kalksteinhügel, um den sowohl die Straße als auch der Fluss einen weiten nördlichen Bogen schlugen. Tatsächlich konnte man an ihm „eine senkrecht abfallende Stirn, eine vorspringende Nase, wulstige Lppen und ein rundes Kinn erkennen“; die Büsche und Grassoden auf dem Kopf endeten „als krause Haare, die ihm in die Stirn hingen“. Finn fragte es sich des öfteren, „ob der Mürmelkopf nur von Wind und Wetter geformt oder ob er tatsächlich vor langer Zeit von Menschenhand aus dem Stein herausgehauen worden war“. Von drei Seiten glaubte man, in das grobgehauene Antlitz eines Benutcaerdir zu schauen, das streng nach Nordosten über den Flusslauf blickte – „ein ewiger Wächter aus Stein, stumm der Dinge harrend“. Als sie den Mürmelkopf erreichten, war „die Schlacht“ noch im Gange, aber die Anzahl der Rudenforster Vahits war auf nur noch wenige Köpfe geschrumpft. Den Ankommenden bot sich ein Bild des Grauens.

Nachdem Finn nur knapp dem Tode entronnen war, vor dem ihn nur ein Messerwurf Mellows errettete, sammelten die Überlebenden die Toten ein und luden sie auf einen von noch zwei fahrbereiten Wagen. Die Reitponys wurden davor gespannt. Dann setzte sich „der traurige Tross“ in Richtung Mechellinde in Bewegung. Aber der Schrecken war noch nicht vorbei.

Die Karte zeigt das Waldstück links der Straße: „eine graue Ansammlung schlafender Bäume“. Davor erstreckte sich eine Wiese beiderseits der Straße. Die gelbe Linie markiert den Anflug der 50 Criargreiter. Sie landeten auf eben jener Wiese, um die fliehenden Vahits zu umzingeln.

Niemand rechnete mit dem, was dann geschah, weder Freund noch Feind. Denn Amuul erschien, ein Dunbluódur, ein Träger einer Schwarzen Gilwe: ein Mächtiger unter den Gefolgsleuten Lukathers. Er rief Saisárasar zur Ordnung und unterbrach damit den vernichtenden Schlag, der den Vahits und Circendil hatte gelten sollen. Saisárasar, der Anführer der Gidrogs, befahl den sofortigen Rückzug aller seiner Krieger. Die eben noch Bedrängten waren ratlos, aber heilfroh, dem Tode noch einmal entronnen zu sein. Sie vermuteten (zu Recht, wie sich später zeigen sollte), Saisárasar habe gegen einen ausdrücklichen Befehl gehandelt, was das Erscheinen und den unbändigen Zorn Amuuls hervorgerufen hatte.

Kaum waren sie endlich zurück in Mechellinde, begann es wie aus Kübeln zu gießen, als Vorbote des sich bis zum Sonntag verschlechternden Wetters. Es war die Nacht vor dem Rat von Mechellinde, der am Morgen im Innengeviert der Bücherey begann (s. Karte 8).

Karte 10 – Marsche

Karte 10 – Marsche
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Der Stichweg zur Hammerschmiede, „ein schmaler Weg“, war offenbar immer noch breit genug, ihn mit dem Einspänner der Klärerin zu befahren: Finn betonte mit der Bezeichnung vermutlich den Unterschied zur breiteren Mürmelstraße.

Tallia Goldammer und Finn kamen am späten Nachmittag bei der Schmiede an und fanden sie anscheinend verlassen vor. Beide waren, so darf man annehmen, ein wenig trunken voneinander, und so bemerkten sie nicht sogleich, dass etwas nicht stimmte. Abhro Rabner, der Hammerschmied, scheint ein fachlich zweifellos hervorragender, ansonsten aber den Annehmlichkeiten des Lebens durchaus zugewandter Vahit gewesen zu sein. Denn Abhro und seine Gesellen schliefen selig (nach der Verkostung von – zuviel? – Feierabendbier). Die drei brauchten einige Zeit, bis sie sich wieder zurecht fanden und halb und halb begriffen, was vor sich ging.

Der Gidwargum Glimfáin, der Finn umrannte und sich Tallia schnappte und mit ihr im Wald verschwand,  erschien den unbedarften Schmieden als „haariges Biest“, während Finn ihn im ersten Moment für einen Gidrog hielt. Diese Verwechslung kommt nicht von ungefähr. Tags drauf, in Räuschelfurt, machte Finn sich seine Gedanken über die offenbar verwandten Bezeichnungen Gidwargum und Gidrog. Tatsächlich waren die Gidrogs unnatürlich entstandene Kunstwesen, von Lukather gezüchtet „aus dem Fleisch“ (wir würden sagen: aus dem Genmaterial geklont) einst gefangen genommener Gidwargim. Sie hatten, trotz aller Unterschiede, eine ähnliche Gestalt und Größe, und die wuchernde Haarpracht der Gidwargim fand noch ihr verzerrtes Spiegelbild im Zottelhaar der Gidrogs. Hauergebiss und Eidechsenhaut waren nur ihnen zu eigen.

Die Karte zeigt Finns Verfolgungsjagd bis hin zur Absturzstelle der Galim. Nachdem die Feuer von Ulúrcrum vom Himmel gefallen waren, einer beinahe tödlichen Gefahr, waren Teile des Rieds verbrannt. Den Gräsern haftete noch Tage danach ein strenger, nur allmählich nachlassender Geruch an, den der Brennstoff hinterließ.

Nur dank des Gebrauchs der Gilwe des Wassers vermochte Glimfáin, sich selbst, Tallia und Finn vor dem sicheren Verbrennungstod zu bewahren. Hierbei ist zu bedenken, dass Glimfáin als Sänger keinerlei Erfahrung besaß. Er befand sich erst seit einem Tag im Besitz der Gilwe, die viele Jahre lang (434 Jahre lang, um genau zu sein) nahe des Gipfels des Cerenaths im Eis in Rigfráins Grab versteckt gelegen hatte. Aber er kannte das geheime Lied dieser Gilwe von seinem Vater Grimgláin her, denn es war seit Rigfráins Tod in ihrer Sippe verwahrt und weitergegeben worden. (Das violette Gilwen-Symbol zeigt die Stelle ihres Einsatzes).

Auch die Bootslände ist eingezeichnet und der Weg, den Finn und die Schmiede in der Nacht zurücklegten, teils mit dem Nachen, einem „Weidling“, teils zu Fuß in den Marschwiesen. Zurück trugen sie den verletzten Glimfáin auf einer Lehmtrage. Erst weit nach Mitternacht langten sie alle wieder in der Schmiede an. Die Nacht, oder was davon noch übrig war, verbrachten Finn und Tallia auf dem Heuboden der Scheune. Ein sicherlich nicht von allen gutgeheißenes Vorkommnis: die Moralvorstellungen der Vahits waren, wie wir sagen würden, ziemlich altmodisch. Gleichwohl wurde ihnen diese Nacht geschenkt, wenn auch zu bezweifeln ist, dass sie mehr austauschten als einige wenige und vermutlich auch scheue Küsse. Beide hatten einen langen Tag hinter sich, und abgesehen davon, dass sie sich in Todesgefahr befunden hatten, waren während des Rates und nach der Begegnung mit Glimfáin Unmengen an neuen Informationen auf sie eingestürzt, die sie zu verarbeiten hatten. Sie werden beide todmüde ins Heu gesunken sein.

Karte 11 – Marsche

Karte 11 – Marsche
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Am darauf folgenden Tag – einem Sonntag – waren Finn und Tallia schon wieder früh auf den Beinen. Sie konnten nur etwa vier Stunden geschlafen hben. Finns Überlegungen, die kostbare Axt des Gidwargums betreffend, trieben ihn erneut (ohne Frühstück) in die Marschwiesen hinaus, um sie zu finden. Zuvor hatte Glimfáin ihm den Dolch Maúrgin geschenkt, als Dank für die selbstlose Rettung, die Finn in die Wege geleitet hatte.

Maúrgin war eine besondere Waffe, wenigstens ebenso kostbar wie Glimfáins Axt Nemandáur. Einst hatte Nemgláin beide geschmiedet, doch den Dolch – in Finns kleinen Händen ein Schwert – hatte hernach Rumóin Bartretter getragen, als er als einer der Acht Lukathers Feste Ulúrlim aufsuchte, um Fárin Goldhand zu befreien. 

Der Knauf der Waffe bestand aus einem roten Karbeol: einem geschliffenen Edelstein, der das Licht der Morgensonne einfing und seine „Kraft daraus schöpft“. Sie durfte nur „in des Tages frühester Stunde“ weitergeben werden, alles andere brächte Glimfáin zufolge „schlimmstes Unglück über den, der sie unbefügt nähme, und es träfe ihn noch am selbigen Tag“. Tallia bemerkte die Veränderung, die mit Finn vor sich ging, nachdem er Maúrgin gegürtet hatte – er war ein „auf unerklärliche Weise strahlenderer, beindruckenderer, erfahrener Vahit geworden“, und Tallias Augen „hingen wie gebannt an ihm“. Seine Schultern „hielt er gerader, seine Schritte waren fester und bestimmter; sein Blick wirkte klarer und auf seltsame Weise kühner und auch härter als zuvor, wie er nun erhobenen Hauptes dastand“. Etwas ging fraglos von der Klinge aus. Mehr als einmal erwies sie sich Finn in der Folge als Kraftquelle in der Not.

Die Karte zeigt Finns Nachforschungsweg (im Nebel) bis zu seiner Begegnung mit Guan Lu, ebenso den Luftweg, den der Criarg einschlug. Er flog mit Finn nach Westen, bis über Moorreet hinaus (s. Karte 12).

Nach seiner Rettung – durch Tallias entfernte Verwandte, die Rohrammers –, traf Finn wieder auf Mellow, nahe der Straße. Finn kürzte nämlich ab und kam über einen Hügel und eine „baumlose Wiese“, die „den diesseitigen Hang hinab bis zur Straße abfiel“. Beide kehrten zur Schmiede zurück, wo sie zusammen mit Mellows Brüdern Sahaso und Kampo und den Schmieden, vor allem aber mit Circendil und Glimfáin ihre nächsten Schritte beratschlagten. Tallia war überglücklich, Finn nur leicht verletzt zurück zu haben. Ein Glück, das nur wenige Stunden währen sollte. Denn Circendil drängte zum Aufbruch, nachdem in der Bücherey ein Hinweis auf den Verbleib der letzten unbeschädigten Abschrift der Lorc’Hennie gefunden worden war. Die Schrift wurde in Sturzbach verwahrt. War sie lesbar, so wären sie der Gluda ein Stück näher.

Somit machten sich alle zunächst nach Mechellinde auf – über ihre Zusammenkunft war die Sonne weit in den Nachmittag gewandert: sie „blinzelte schon schräg von Westen her durch die Zweige“. Da sie bis Mechellinde noch vier Meilen zurückzulegen hatten, werden sie (bei einer Reisegeschwindigkeit etwa 5-6 Meilen die Stunde) nach etwa einer halben Stunde dort angekommen sein.

Währenddessen verschlechterte sich das Wetter. Der Wind schlief ein, es grummelte „von fern über dem Sturz“. Gerade als die Gruppe das Gasthaus zum Rauschenden Adler erreichte, begann ein heftiges Gewitter. Es zwang sie dazu, sein Ende abzuwarten, aber es bescherte ihnen auch ein Abendessen in der warmen Gaststube. Es dunkelte bereits, als die Weiterreisenden (Finn, Mellow und Circendil) vor die Schanktür traten und dort Bholobhorg Feldschwirl begegneten, der sie erwartete.

Karte 12 – Moorreet

Karte 12 – Moorreet
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Diese Karte führt uns noch einmal kurz in die Mittagsstunden des 7. Oktobers zurück. Der Flug des Criarg ist nur zum Teil durch Finns Beobachtungen belegt – er war zugegebenermaßen etwas abgelenkt. Aber was er (wenn auch stets nur flüchtig) sah, lässt uns den Luftweg zumindest im Groben nachvollziehen.

Nach einigem Gekreise flog der Großvogel zunächst westlich, dann südwestlich. Es war Morgen, und die Sonne stand hinter ihm, also im Osten. Finn sah die fernen Berggipfel des Khênaith Eciranth, deren „schneetragende Hänge feuerrot“ vor ihm glänzten.

Später setzte der Criarg „zu einer langen Linkskurve“ an, und „Finn sah unter sich einen verschlungenen Flusslauf glitzern, seltsam klein und unwirklich“. Er fragte sich: „War das die Mürmel?“, verneinte es selbst und vermutete stattdessen die Räuschel zu erblicken.

Hier unterlag Finn zweifellos einem Irrtum, der den besonderen Umständen, der Höhe und damit der ungewohnten Perspektive geschuldet war. Ich tippe eher, dass er die kleine (und tatsächlich vielfach verschlungene) Moorrinn erblickte, jenen Nebenfluss der Räuschel, den später Mellow mit dem Prahm der Fokklins zu erreichen suchte (s. Karte 18). Später, als er die Räuschel tatsächlich überflog, war seine Höhe niedriger, und er führte die Breite des Flusses wohl darauf zurück.

Zunächst blieb der (kleine) Fluss zurück, und „die Sonne umtanzte ihn, aber falsch“. Scheinbar bewegte sich die Sonne für Finn gegen ihren natürlichen Lauf, was auf eine Rechtskurve mit anschließender Linkskurve schließen lässt, da sie dann wieder „über seiner rechten Schulter hing“.  Für kurze Zeit flogen sie folglich fortan wieder nach Norden, denn die Sonne stand ja immer noch im Osten. „Formlose Wälder huschten unter ihm vorbei“, die nur die Auwalde der Räuschel gewesen sein konnten. Ein wenig später sah Finn „Rauch aus unsichtbaren Schornsteinen aufsteigen“ – unsichtbar für ihn wohl deswegen, weil sich der Criarg wieder dem Boden näherte und dieser sich für Finn unfassbar schnell unter ihm hinweg bewegte. Tatsächlich muss er über die Dächer Moorreets geflogen sein, nur erkannte er aus der Luft sein Heimatdorf nicht.

Die „oberen Äste der Bäume“, die Finn am Ende des Sinkfluges deutlich sah, müssen schon zu den Bäumen der Torfwiesen oder gar den der dahinter liegenden (und nicht mehr auf der Karte befindlichen) morastigen Tümpel gehört haben. Der Baum, den der Criarg mit einem Fuß streifte, stand mit Sicherheit schon im eigentlichen Moorgebiet jenseits der Torfwiesen. Ebensolches gilt für die Eiche, in deren Geäst Finns unfreiwilliger Flug ein zwar schmerzhaftes, aber dennoch vergleichsweise glückliches Ende fand. Über gewundene Moorpfade und Holzstege brachten ihn hernach die Söhne des alten Ridibund Rohrammer nach Moorreet zurück.

Nach Abbado Zeisigs Geständnis, was den „verschlampten Brief“ anbelangte, ging Finn zu Fuß über den Bruchdamm die Straße eine Wegstunde (3 Meilen) weit entlang. Ihm taten wegen seiner nicht eingelaufenen Stiefel schnell die Füße weh, weshalb er – nach einer Pause – einen Bogen der Straße abkürzte und „einen Hügel hinauf wankte“. 

Auf der anderen Hangseite (s. Karte 11) wurde er von Mellow gefunden, der ihm stolz mit seinem neuen Hut und neuem Rang als Helvogt entgegenritt. Er hatte Smod mit dabei, sodass sie den restlichen Weg zurück zur Hammerschmiede nicht zu laufen brauchten. Auch wenn es nur noch etwas weniger als drei Meilen bis dorthin waren – Finns Füße werden es ihm sicher gedankt haben.

Karte 13 – Räuschelfurt

Karte 13 – Räuschelfurt
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Nachdem Bholobhorg Feldschwirl zu ihnen gestoßen war, verließen die nunmehr vier Reisenden das Khênbrada Mechellinde. Sie folgten dem Weg über den Mürmelkopf (s. Karte 9) bis zur Einmündung der Mürmelstraße in die Mittelstraße (s. Karte 4).

In Band 2 Der verlorene Brief heißt es: „Bis zur Einmündung waren es noch ein oder zwei Meilen …“ Dies ist nicht vom Mürmelkopf aus gerechnet, dafür wäre die Strecke, wie Karte 4 eindeutig zeigt, zu lang gewesen. Finn meinte vermutlich die Stelle, von der aus sie die Mittelstraße vor und unter sich erblicken konnten. Denn deutlich ist zu erkennen, dass sie von einem Hügel herabkamen. Am Wegweiser, der „zwischen hüfthohen Findlingen in die drei möglichen Richtungen zeigte“, wandten sie sich nach rechts.

Sie hatten damit den letzten östlichen Ausläufer des Rückens erreicht, den ich schon bei der Beschreibung zu Karte 2 erwähnt habe. Das Land stieg zuerst rasch an. Hinter sich ahnten sie im Dunkeln die Niederung der Mürmel, vor ihnen aber „erstreckte sich das mondbeschienene Räuscheltal …mit weit auseinander liegenden Ufern“. 

Das hiesige Land war größtenteils baumlos, aber das Ufer war dicht begrünt, mit Büschen und Weiden bestanden. Die Furt war flach und kiesig. Wahrscheinlich hatte die Räuschel vom Geklacker der Kiesel ihren Namen erhalten. Gegenüber fanden sie eine Klippe, gut 30 Klafter hoch. 

Die Straße kletterte im Zickzack fünf Kehren hinauf und führte unmittelbar am Furtlerbroch vorbei. Der Broch wirkte wie ein Turm aus alter Zeit: „… einsam wachend ragte er auf“. Neun Häuser umgaben den Broch (und einige Stallungen), sie drückten sich oberhalb der Klippe an einen Felsblock, der aus einem Hügel hoch (und weit) vorsprang.

Das Brada beschreibt Finn als zaun- und heckenlos. Dies ist leicht missverständlich: damit meinte er allem Anschein nach eine fehlende Dorfhecke, wie sie Mechellinde aufwies. Denn später ist ausdrücklich von Zäunen und Obstgartenhecken die Rede – sie „ritten zu beiden Seiten ein Stück entlang der Obstgartenhecken ins Land hinein“, um die Dörfler zu suchen, die sämtlich geflohen waren. Finn seinerseits floh, als er von dem Criarg angegriffen wurde, hinter dem Broch den steilen Hang zur Räuschel hinunter, wo er sich im flachen Flusswasser mit dem Großogel einen erbitterten Kampf auf Leben und Tod lieferte. Im Broch hatte er zuvor den verwaisten Hundewelpen gefunden, den er später auf den Namen Inku („der Gefleckte“) taufte. Die Karte zeigt auch die Brombeerfelder, aus deren Früchten die ansässigen Vahits namhafte Weine kelterten, „von denen vor allem der Brummbaren seinem Namen alle Ehre machte“.

Der halbe Mond stand schon weit im Westen und ging, noch während sie in Räuschelfurt weilten, unter. Am südlichen Orstausgang berieten sie sich unweit des Wegweisers, der dort stand. Bis Vierstraß lag noch eine Wegstunde Luftlinie vor ihnen: ein „Vogel wäre zwischen der Furt und dem nächsten Brada nicht mehr als fünf oder sechs Meilen geflogen“. Vor ihnen aber lag die Kretelheide, die sie zu einem weiten Umweg zwang.

Noch immer befanden sie sich im Obergau, und zwar in seinen südlichen Bereichen, aber für Finn wirkte die Gegend südlich der Räuschel „schlagartig fremder“. Sie war anders beschaffen als am Nordufer, andere Bäume wuchsen hier, die Hügel wurden schroffer, es gab „tiefe, karstige Einschnitte, die fast schon Schluchten zu nennen waren“. Für Finn endete das eigentliche Hüggelland (womit er jenen Teil mit den sanften Hügeln meinte, den er seine Heimat nannte) bereits hier, am Ufer der Räuschel.

Dieser Sonntag nahm (wie auch die drei Nächte zuvor) für Finn kein Ende. Erst gegen 2:00 Uhr nachts kamen die Reisenden in Vierstraß an.